Die Revolte

Es scheint mir angebracht, noch einmal darauf hinzuweisen, dass es eine gehörige Portion Sarkasmus und Zynismus braucht, um die folgenden Zeilen zu lesen.
Es ist zu witzig!
In der Thüringer AfD hat eine Revolte von stauffenbergischen Ausmaßen begonnen. Im Landkreis Saalfeld-Rudolstadt wagte es die AfD für die anstehende Kreistagswahl eine Liste von KandidatInnen einzureichen, mit der der Thüringer Führer, Bernd Höcke, ganz und gar nicht einverstanden war.
Kurzerhand bekräftigte Höcke seine Unterstützung für eine alternative Liste und hielt seine Visage mit debilem Lächeln für ein Wahlplakat dieser alternativen Liste hin.
Weil er aber in dem Wahlkreis gar nicht zur Wahl steht, wirft ihm der Kommunalpolitiker Jörg Gasda Wahlbetrug vor.
Der Grund für Höckes Handeln ist wohl der, dass Gasda zwar AfD-Mitglied ist, aber als parteiunabhängiger Einzelkandidat antritt.
Da er als Landesvorsitzender gegen die eigene Partei stimme, fordern Gasda und andere nun einen Parteiausschluss Höckes.
Die Befürworter des Parteiausschlusses sind sich dessen bewusst, dass sie mit dieser Forderung provozieren, morgen von der Gestapo abgeholt zu werden, wie es bisher bei allen war, die das Maul gegen Höcke aufgemacht haben, sie beweisen also enormen Mut. Kreistagskandidat Josef Kluy nennt Höcke sogar einen »Nazi«… – ach nee, sorry einen »Narzissten«. Da war Freud wohl schneller als mein Auge.
Natürlich wird nichts geschehen. Chrupalla und Weidel werden sich nicht zu dem Fall äußern, Höcke wird im Herbst Ministerpräsident von Thüringen und Gasda, Kluy, Strasser und die ganzen anderen Verräter werden »remigriert«.

Dass Gasda und Kluy sich jetzt aber zu Wort melden, ist schon beachtlich:
Antisemitismus, Rassismus, Lügen, Propaganda und bewusste Falschaussagen, NS-Vokabular und Tätigkeiten für NPD-nahe Zeitungen, Demos neben offensichtlichen Naziskins und wortwörtliche Weltkriegsbefürwortung sind alles keine Probleme für Gasda und Kluy. Aber sobald es plötzlich um ihre eigenen Hälse geht, kriegen sie das große Fürchten und fordern einen Parteiausschluss.

Eigentlich wollte ich damit schließen, den beiden und ihren Mitverschwörern den Parteiaustritt anzuraten, aber eigentlich ist es ganz schön zu wissen, dass es in der AfD Leute gibt, die zuerst weg müssen, bevor die AfD anfangen kann, Deutschland nach ihren Vorstellungen umzugestalten.
Es bleibt ja zu hoffen, dass die AfD-Basis irgendwann aufwacht und Höcke tatsächlich absägt, wahrscheinlicher ist aber, dass Gasda und Kluy eines Tages nicht mehr da sind und Freunde und Nachbarn nichts wissen…

Quelle

Publicity

Die Verteidigung des Grundgesetzes
Als 1949 das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland verabschiedet wurde, kommentierte Max Reimann, der damalige Vorsitzende der KPD, die Ablehnung desselben durch seine Partei mit den Worten: »Wir unterschrieben nicht. Es wird jedoch der Tag kommen, da wir Kommunisten dieses Grundgesetz gegen die verteidigen werden, die es angenommen haben!«
Ich hoffe, dass es nicht dazu kommt, dass es »[uns KommunistInnen]« braucht, aber es könnte dennoch bald soweit sein.
Dass die AfD das Grundgesetz verabscheut, ist ja kein Geheimnis. Reimanns Kommentar galt aber den demokratischen Parteien. Sind die auch eine Gefahr für die Demokratie? Vielleicht nicht unmittelbar, aber von der vielbeschworenen »Brandmauer« ist nicht mehr viel geblieben.
Schlimm genug, dass von der CSU bis den Grünen eine ähnliche Abschiebe-Politik verfolgt wird, die FDP sich nach ihren nationalliberalen Anfängen zurück sehnt und BSW und Werteunion jetzt eigene Parteien sind.

Eine Bühne für Höcke
Mario Voigt, CDU-Spitzenkandidat in Thüringen, übereifrig daran gelegen, den bisherigen Ministerpräsidenten Ramelow an Bekannt- und Beliebtheit einzuholen, hat zu diesem Zweck dem Faschisten Bernd Höcke eine Bühne verschafft. Zugegeben, das TV-Duell hätte auch schlimmer verlaufen können, aber Voigt hat damit ein kleines Kanzlerduell inszeniert und nebenbei den Eindruck vermittelt, dass die AfD eine wählbare Partei wäre.
Hätte es für Voigt denn keinen anderen Weg gegeben, von sich Reden zu machen?

Antideutsche in der AfD
Über Voigts Engagement hat sich die AfD sicher gefreut, aber eigentlich hat sie es nicht gebraucht.
Der AfD gelingt es, Schlagzeilen zu machen, auch ohne, dass die CDU sie dabei tatkräftig unterstützt.
Schauen wir uns nur mal die Spitzenkandidaten für die Europawahl in diesem Jahr an.
Maximilian Krah, auf Listenplatz 1 für die Europawahl, hat einen Mitarbeiter beschäftigt, der für’s bolschewistische Feindesland spioniert hat.
Als sich 1974 herausstellte, dass ein enger Vertrauter des damaligen Bundeskanzlers Willy Brandt Informant der Stasi war, ist Brandt wie ein Ehrenmann zurückgetreten. Krah tritt jetzt aus der Öffentlichkeit zurück, wird aber trotzdem selbstverständlich ins Europaparlament einziehen.
Brandt wusste damals nicht, wer Günter Guillaume war. Krah wusste Bescheid, da bin ich mir sicher. Denn die AfD hat doch überhaupt kein Problem mit dem Chinesischen Ministerium für Staatssicherheit. Seit Christian Lüth wissen wir, dass die AfD davon träumt, dass es Deutschland schlecht geht, da aber die Ausländer in diesem Land zu anständig sind, braucht man kriminelle Ausländer aus dem Ausland. Wahrscheinlich versteht die Partei nicht einmal, was das Problem mit China ist: nur scheindemokratische Wahlen, keine wirklich freie Presse, Polizeistaat, die größte Militärmacht der Welt, wenn auch nur quantitativ und die ChinesInnen wissen auch, wie man richtig mit MuslimInnen umgeht: kurz und knapp, von chinesischen Verhältnissen hierzulande träumt die AfD.
Auf Listenplatz 2 für die Europawahl steht noch so’n antideutscher Volksverräter. Petr Bystron hat nicht nur mit dem prorussichen Propagandaportal »Voice of Europe« Kontakt gehabt, sondern ist auch dafür bezahlt worden, dafür Sorge zu tragen, dass sich die russische Propaganda noch mehr in Europa verbreitet. Wahrscheinlich versteht auch Bystron gar nicht, was er falsch gemacht hat, weil er sich Putins Regime für Deutschland wünscht.
Vielleicht sollte sich die AfD erstmal Gedanken darüber machen, welcher Schurkenstaat als Vorbild dienen soll. Nordkorea und Syrien stünden noch zur Debatte.

Die Patrioten von früher
Ich finde es erstaunlich, wie undeutsch die AfD-Skandale sind. Die NPD hatte auch Skandale. Aber die haben damit nur der eigenen Partei und Glaubwürdigkeit geschadet, doch niemals dem Heiligen Deutschland. Verwechslungen von Parteikasse und eigene Tasche, Kinderpornos, Drogen, Waffen, Prostitution, das ganze Programm; doch niemals hat die NPD vergessen, dass unter anderem Russland uns im Zweiten Weltkrieg den Arsch aufgerissen hat. Absolut zu Recht, keine Frage. Aber Putin ist bereit, das jederzeit wieder zu tun, wenn es ihm nutzt. Und nach dem Eurasischen Krieg kauft sich China einfach die rauchenden Ruinen zwischen Atlantik und Uralgebirge. Weiß die AfD das nicht?
Oder gibt es einfach keine schlechte Publicity?
Dann verstehe ich aber nicht, warum sie Krah bis zur Wahl das Maul gestopft haben.

Wie dem auch sei, Herr Voigt, Bernd Höcke braucht keine Bühne. Maximilian Krah hören 1,5 Milliarden ChinesInnen zu und Petr Bytron rund 150 Millionen RussInnen. Das sollte reichen für’s Erste.

Die Fünfte Fraktion

Aktuell sitzen neun verschiedene Parteien im Deutschen Bundestag: die SPD, Bündnis 90/Die Grünen und die FDP, die die Regierung stellen sowie das BSW, Die Linke, der SSW, die CDU, die CSU und die AfD auf der Oppositionsbank.
Nach aktuellen Umfrageergebnissen müssen wahrscheinlich drei Parteien nach der nächsten Wahl ihre Büros im Reichstag räumen. Fest steht es bei der Linken, wahrscheinlich ist es auch beim SSW, wobei für diese Partei andere Regeln bestehen. Mit etwas Glück könnte Stefan Seidler im nächsten Bundestag also wieder für den Südschleswigschen Wählerverband Platz nehmen. Zu hoffen bleibt es bei der FDP. Aber jedes Wahlforschungsinstitut sagt der FDP ein anderes Ergebnis voraus. Verdient hätte sie es, abgewählt zu werden, so sehr wie sie aktuell ihre eigene Koalition torpediert.
Gespannt bin ich, auf das Ergebnis des Bündnisses Sahra Wagenknecht. Das BSW steht aktuell zwischen 5 und 7 Prozent in den Umfragen, womit es ziemlich sicher im Bundesparlament landen würde, wobei das bei neuen Parteien nie so ganz sicher gesagt werden kann, aber auffällig ist, dass die Umfragen, in denen das BSW auftaucht, ihm prognostizieren, auch ins jeweilige Parlament zu kommen. Es schafft es sehr wahrscheinlich ins Europaparlament und in Sachsen, Brandenburg und Thüringen, wo in einem halben Jahr die Landesparlamente gewählt werden, steht das BSW jeweils im zweistelligen Bereich.
In Mecklenburg-Vorpommern steht es zwar »nur« bei 5%, dafür würden nach aktuellen Umfragen in Sachsen-Anhalt nach der nächsten Wahl der Landtag zu gleichen Teilen aus VertreterInnen des BSW, der CDU und der AfD bestehen…




Theoretische Sitzverteilung des Sachsen-Anhaltinischen Landtags nach aktuellen Umfrageergebnissen (Stand: 17.04.2024)

Aber nicht nur in der DDR, auch in Hessen und Baden-Württemberg könnte das BSW ins Parlament kommen, wenn am nächsten Sonntag Landtagswahlen wären.
Ich habe auf diesem Blog mal einen Beitrag darüber geschrieben, dass wir es in Zukunft nur noch mit der SPD, den Grünen, der CDU und der AfD zu tun haben werden.
Zwar haben wir aktuell neun Parteien im Bundesparlament sitzen, aber nur fünf Fraktionen.
Eine Fraktion benötigt mindestens 37 Mitglieder, um so genannt werden zu können. Das trifft nur auf die SPD, die Grünen, die FDP und die AfD zu. Die CDU und ihre Schwesterpartei CSU gelten als »Fraktionsgemeinschaft« und bilden zusammen eine Fraktion. Die Linke, der SSW und das BSW sind zwar als Parteien im Bundestag vertreten, aber die Mitglieder sind zu wenige, um eine Fraktion bilden zu können. Die Linke und das BSW gelten als »Gruppe«, mit weniger Rechten, als Fraktionen. Von einer Legislaturperiode abgesehen, waren Die Linke sowie ihre Vorgängerparteien als Fraktion im Bundestag vertreten, seit die Mauer gefallen ist. Sogar nach der letzten Wahl konnten sie eine Fraktion bilden, wobei die Partei eigentlich gar nicht in den Bundestag hätte einziehen dürfen, weil sie die 5%-Hürde nicht erreichte.

Doch damit ist jetzt endgültig Schluss. Die Linke werden wir nach der nächsten Wahl nicht mehr im Bundestag vertreten haben. Der FDP gebe ich noch eine Legislatur, in der sie wenigstens in den Wahlumfragen auftaucht, bevor auch sie mit der Linkspartei unter »Sonstige« geführt wird.

Ich lag schon richtig mit der Vorhersage, dass die FDP und Die Linke ausgedient haben, aber das BSW hatte ich nicht auf dem Schirm. Wenn es Sarah Wagenknecht nicht um die Ohren fliegt, was natürlich auch passieren könnte, werden wir in Zukunft nur noch FaschistInnen (AfD), KapitalistInnen (CDU, CSU, SPD, Grüne) und nationalistische SozialistInnen (BSW) im Bundestag haben. Dass die NationalkapitalistInnen (FDP) weg sind, ist nicht genug. Es braucht auch eine sozialdemokratische Stimme (Die Linke).

Die Mitschuld des Bernd Lucke

Es gibt einen Youtuber, den ich mir beim Saugen oder Kochen gerne anhöre. Philip Schlaffer heißt der Mann und interessiert mich, weil er Neonazi-Aussteiger ist.
Heute macht er Aufklärungsarbeit, führt Interviews und erzählt von der Zeit, als er noch in rechtsextremen Kreisen unterwegs war und wie er es letztendlich raus geschafft hat. Darüber hat er auch ein Buch geschrieben.
Auf seinem Youtube-Channel gibt es ein Format, in dem er Dokumentationen, Reportagen und Interviews über, von und mit heutigen RechtsextremistInnen kommentiert. Nicht selten ist auch ein anderer Buchautor und Ex-Neonazi dabei, namens Axel Reitz, der heute auch in erster Linie Aufklärungsarbeit leistet.
Alles in allem gefällt mir dieses Format ganz gut.
Zu der Zeit, als Schlaffer und Reitz noch Neonazis waren, gab es zwar die AfD noch nicht, dennoch ist sie häufig Thema der Videos und ich finde es äußerst interessant, wenn Schlaffer und Reitz Parallelen zwischen der Alternative für Deutschland und der NPD (heute Die Heimat), der Rechten, der FAP oder dem III. Weg ziehen.
Es gibt aber einen Punkt, der mich wirklich stört.
Ich schätze Axel Reitz als einen wirklich intelligenten und intellektuellen Menschen ein, wenn es mir auch ein bisschen auf den Keks geht, wie häufig er betont, ein Liberaler zu sein. Ob er die FDP damit meint, weiß ich nicht. Aber so ziemlich alles ist besser, als der »Hitler von Köln« zu sein, wie er sich früher genannt hat.
Der Punkt, der mich stört, beschäftigt sich aber nicht mit der FDP, sondern mit der AfD.
Reitz wird nicht müde, zu erwähnen, dass die AfD nicht von Anfang an, eine Neonazi-Partei war. Unter Bernd Lucke, Gründer und erstem Vorsitzenden, sei die AfD noch eine demokratische, liberale Partei gewesen.
Das ist nicht falsch, aber es verschweigt etwas.

Die Anfänge der AfD
Von Anfang an, waren nämlich nationale Tendenzen in der AfD vertreten und was für welche.
Dass die AfD forderte, die europäischen Hilfen für Griechenland einzustellen und das bewarb mit »Wir sind nicht das Weltsozialamt« ist die erste Auffälligkeit, bei der man hätte stutzig werden können. Die NPD warb damals mit »Wir sind nicht das Sozialamt für die ganze Welt«. Das ist eins zu eins dieselbe populistische Scheiße, mit der eine ordentliche Portion Rassismus maskiert werden soll. Nur die CSU, der seit Josef Strauss gar nichts zu eklig ist, warb mit demselben Spruch. Alle demokratischen Parteien distanzierten sich von diesem Mist.
Früh wollten viele AfDlerInnen weg vom Euro, zurück zur D-Mark, was auch als nationalistisches Überlegenheitsgefühl gedeutet werden kann; oder wenigstens sollten die »Südländer« die Eurozone verlassen.
Außerdem hatte die AfD von Anfang an ein sehr treffsicheres Händchen, wenn es um ihr Spitzenpersonal ging. Hätte man sich Bernd Höcke ein wenig genauer angesehen, hätte man sicher darauf kommen können, dass Thorsten Heise, Die Heimat-, früher NPD-Mitglied und militanter Neonazi ein guter Freund von Höcke ist. Ja, Freunde kann man sich aussuchen und der Oberstudienrat hätte gefragt werden können, wo er den Bonehead kennen gelernt hat. Alexander Gauleiter, damals Vorsitzender der AfD in Brandenburg, ist schon vorher, als er noch in der CDU war, von seinen ParteigenossInnen gemieden worden. Und gegen André Poggenburg, damals Vorsitzender der AfD in Sachsen-Anhalt, ist sogar die AfD-Parteispitze selbst vorgegangen und zwar lange nachdem (!) Lucke schon weg war. Und das sind nur die ersten Anzeichen gewesen.

Die Wortwahlen Luckes
Doch zurück zu Lucke. Anders als Höcke, Gauleiter und von Strolch glaube ich wirklich, dass Lucke kein Nazi ist. Aber er hat gewusst, dass es sich bei den gerade genannten und vielen anderen um Nazis handelt. Das kann mir keiner erzählen und er wusste auch, dass man ab und zu Sachen sagen muss, die RechtsextremistInnen gefallen, damit man von RechtsextremistInnen gewählt wird. So war es Lucke, der das Wort »Entartungen« benutzte, um die deutsche Demokratie zu beschreiben. Darauf angesprochen, dass das Wort schon Goebbels verwendet hat, um Zustände zu beschreiben, die nicht in sein krankes Weltbild passten, verglich Lucke beiläufig den deutschen demokratischen Parlamentarismus mit einem Krebsgeschwür…
Lucke hätte schon früh die Chance gehabt, den rechtsextremen Umtrieben in seiner Partei Einhalt zu gebieten, hat er aber nicht und war auch nicht der Meinung, es zu müssen.
Doch dann zeichnete sich allmählich ab, dass die undankbaren rechtsextremen Ossis ihn nicht für immer als Parteivorsitzenden behalten wollten und er musste handeln.
Also gründete er einen Verein innerhalb der AfD, um davor zu warnen, dass die Partei gerade von RechtsextremistInnen unterwandert beziehungsweise übernommen wird. Diesen Verein nannte er »Weckruf 2015« und der sollte darauf aufmerksam machen, dass die AfD gerade nach rechts außen rückt. Immerhin ist es ihm schon 2015 aufgefallen, es gibt ja bis heute AfD-Mitglieder, die die Augen davor verschließen. Dennoch ist der Name denkbar schlecht gewählt. Mit »Weckruf« vor Nazis zu warnen ist etwa so sinnvoll wie mit Aas Geier fernzuhalten. Denn »Der Weckruf« war auch der Name der allerersten NSDAP-Lokalzeitung.

Der Name der AfD
Am erschreckendsten finde ich aber tatsächlich den Namen der AfD. Lucke wollte auf die aus seiner Sicht gescheiterte Euro-Politik der EU und Deutschland aufmerksam machen. Nachdem Merkel die Euro-Politik »alternativlos« nannte, wollte Lucke mit seiner Partei eine Alternative anbieten. Ursprünglich sollte seine Partei »ADE« heißen, Alternative für Deutschland und Europa. Doch schon bei der Gründung der Partei, als also noch Henkel und Adam dabei waren und was zu sagen hatten, ist das Engagement für Europa aus dem Namen der neuen Partei gestrichen worden und es wurde sich wenigstens namentlich eher in eine nationalistische Richtung orientiert. So wurde aus der Alternative für Deutschland und Europa die Alternative für Deutschland. Spätestens hier hätten erneut die Alarmglocken klingeln müssen. Denn der Name Alternative für Deutschland ist sehr nah am Namen einer lupenreinen Neonazipartei.
1989 gründete sich die Deutsche Alternative (DA), eine Kleinstpartei ohne besondere politische Bedeutung und auch ohne lange Dauer, weil sie 1992 schon verboten wurde, aber eine lupenreine Neonazipartei, die von einem FAP-Mitglied gegründet wurde. Die FAP (Freiheitliche Deutsche Arbeiterpartei) ihrerseits spielte unübersehbar mit NS-Symbolik und auf Parteitreffen wurden sogar braune Uniformen getragen, nur um kurz klarzumachen, mit was für Menschen wir uns beschäftigen, wenn wir über die DA sprechen. 1995 wurde schließlich auch die FAP verboten. Doch zurück zur AfD. Wenn ich eine Partei gründe, die nicht in irgendeine Ecke gesteckt werden soll, dann muss ich mich doch informieren, ob es diesen Namen vielleicht schon gibt oder einen ähnlichen und was das für eine Partei ist und ob ich mit möglichen Verwechslungen leben könnte. Also ich könnte es nicht. Lucke offensichtlich schon, wahrscheinlicher ist aber, dass er gar nicht gewusst hat, dass es die DA mal gab und sich überhaupt nicht informiert hat, welche Assoziationen der Name erzeugen könnte. Oder er hat es bewusst in Kauf genommen, um so die eine oder andere braune Ratte auf sein Schiff zu holen. Allerdings war er es, der das Schiff verlassen musste, als es drohte, im braunen Sumpf zu versinken.
Dies sind nur ein paar Beispiele, aber sehr viel mehr Zeit hatte Lucke auch nicht. 2013 wurde die AfD gegründet und 2015 trat Lucke aus und in zwei Jahren schon derart häufig in ein Fettnäpfchen zu treten, das unappetitlich braunen Inhalt hat, ist schon auffällig.

Lucke ist kein Nazi und war auch in seiner Zeit in der AfD keiner, das glaube ich wirklich. Aber besonders helle war er eben auch nicht.
Lucke hat angenommen, dass der die RechtsextremistInnen in seiner Partei schon im Zaum halten kann, dabei trieben die ihn von Anfang an vor sich her, hielten ihm Stöckchen hin, über die er bereitwillig sprang und ich werfe ihm vor, dass er nicht selten auch versucht hat, sich bei denen lieb Kind zu machen, damit sie ihn nicht noch schneller absägen, als sie es letztendlich getan haben.
Natürlich ist man im Nachhinein immer schlauer, aber – bei aller Liebe – mit einem NPD-Slogan in den Europawahlkampf zu starten, ist dermaßen bescheuert, dass es überhaupt nicht überraschend ist, dass die AfD da steht, wo sie steht, nämlich ganz rechts außen. Lucke trägt nicht die alleinige Verantwortung dafür. Aber ihn trifft ein nicht unerheblicher Teil der Mitschuld. Kein Nazi zu sein, reicht eben nicht.

Das Goldene Kälbchen (Teil II)

Vor zwei Wochen veröffentlichte ich hier einen Beitrag darüber, dass mit dem »Goldenen Kalb« in 2. Mose 32,4 keinesfalls ein Kalb gemeint ist. Lest es nochmal nach, wenn ihr wissen wollt, warum die biblischen Autoren hier bewusst etwas falsches behauptet haben.
Das 32. Kapitel des Zweiten Mose-Buches ist voller weiterer interessanter Fakten, die ich in diesem Beitrag behandeln werde. Der Fakt dazu, was de Götze darstellen sollte, war der spannendste, weswegen er einen eigenen Beitrag bekommen hat.

Der Götze
Am Anfang der Bibel, im allerersten Kapitel der Bibel, wird die Schöpfung beschrieben und Jahwe von Luther mit »Gott« beschrieben. Später steht in Bibelübersetzungen nach Luther häufig »der HERR«, während im neuen Testament wieder von »Gott« oder »Vater« gesprochen wird.
Im Alten Testament steht »Adonai« im hebräischen Original, ein Eigenname Jahwes oder »elohim«, was sich im weitesten Sinne mit »Gott« übersetzen lässt.
Elohim ist allerdings ein besonderes Wort. Die Endung -im ist im Hebräischen ein Hinweis für den Plural. Wir kennen es von »Cherubim« und »Seraphim«, womit mehrere Engel beschrieben werden. Der Singular ist »Cherub« beziehungsweise »Seraph«.
Zwar glauben Jüdinnen und Juden nur an einen Gott und nicht an so etwas wie die christliche Dreieinigkeit, aber das hebräische Wort für Jahwe ist dennoch im Plural geschrieben.
Im Zweiten Mose-Buch wird Gott von Luther meistens »der Herr« genannt, aber als in Kapitel 32 der Goldene Götze beschrieben wird, sagt Aaron über ihn »Das sind deine Götter, Israel, die dich aus Äqyptenland geführt haben!« (2. Mose 32, 4). »[…]deine Götter […] die dich […] geführt haben«. – Plural!
An dieser Stelle, die Luther mit »Götter« übersetzt, steht im Original tatsächlich elohim.
Ein Wort, das ausschließlich für Jahwe verwendet wird – hab ich gedacht… Je nachdem wieviel von dieser Geschichte tatsächlich so passiert ist, ist offenbar Jahwe von den Israeliten vollumfänglich durch Apis, Marduk oder einen anderen Stiergott ersetzt worden.

Die Zehn Gebote
Das 32. Kapitel ist außerdem auch das Kapitel, in dem die Zehn Gebote eine zentrale Rolle spielen. Erhalten hat Mose sie am Ende des Kapitels vorher, zwei Steintafeln und die biblischen Autoren weisen immer wieder darauf hin, dass diese durch »Gottes Finger« selbst beschrieben wurden (1. Mose 31, 18). Die Israeliten hatten die Zehn Gebote schon erhalten, aber in Schriftzeichen verewigt, bekommen sie sie jetzt erst von Jahwe selbst.
Ich frage mich aber, in welcher Sprache die steinernen Tafeln beschriftet waren?
Gab es die hebräische Sprache schon in Schriftform? Mose hat am Hof des Pharao sicher Schreiben und Lesen gelernt, aber wohl kaum die Sprache der Sklaven oder doch? Waren die Steintafeln also auf Ägyptisch beschrieben? Hatten die Moabiter, Phönizier und Babylonier zu Moses Zeiten schon Schriftzeichen, die als Fremdsprachen vielleicht in Ägypten gelehrt wurden? Alles spannende Fragen, wie ich finde.

Während Mose die Zehn Gebote empfängt, wenden sich die Israeliten von Jahwe ab und verstoßen damit gleichzeitig gegen die ersten vier Gebote auf einmal und damit gegen alle Gebote, die das Zusammenleben von Gott und Mensch beschreiben.
Sie beten einen anderen Gott als Jahwe an – Verstoß gegen das Erste Gebot.
Sie machen sich ein Bild, das sie anbeten – Verstoß gegen das Zweite Gebot.
Der Götze bekommt mit »elohim« den Namen, der Gott vorbehalten war – Verstoß gegen das Dritte Gebot.
Aaron bestimmt einen Tag, der der Tag ihres neuen Gottes sein soll – Verstoß gegen das Vierte Gebot.
Jahwe ist natürlich erzürnt. Nach der biblischen Chronologie hatten die Israeliten die Zehn Gebote bereits (2. Mose 20,1-17).

Jahwes und Moses Zorn
Jahwe sagt Mose, das Volk habe gegen ihn gesündigt und er wolle es zur Strafe vernichten und aus Moses Nachkommen ein neues Volk machen. (2. Mose 32, 10) Mose versucht, Jahwe davon abzubringen und sagt, er solle sich vor Augen führen, was sich die Ägypter denken könnten; dass der Israeliten Gott sie aus Ägypten geführt hat, um sie in der Wüste umzubringen (2. Mose 32,12). Jahwe lässt sich überreden und Mose steigt mit den Zehn Geboten wieder vom Berg.
Unten angekommen, zerschmettert Mose die Steintafeln vor Wut (2. Mose 32,19), zerstört das Standbild (2. Mose 32,20) und dann macht er etwas sehr, sehr seltsames.
Er stellt das Volk vor die Wahl und sagt, dass diejenigen, die für Jahwe sind, zu ihm kommen sollen und die Leviten sammeln sich um ihn. Mose trägt ihnen auf, sich zu bewaffnen und jeden zu erschlagen, der sich nicht für Jahwe entschieden hat. Daraufhin gehen die Leviten durchs Lager und erschlagen »Bruder, Freund und Nächsten«; 3.000 Männer sterben an dem Tag (2. Mose 32,26-29)…
Ein paar Verse vorher überredet Mose Jahwe noch, die Israeliten zu verschonen und dann macht er es selber? Könnten die Ägypter nicht sagen, sie seien in die Wüste gezogen, um sich dort gegenseitig umzubringen?
Und sowohl Jahwe, als auch Mose hatten gerade noch die Gesetzestafeln mit dem Satz »Du wirst nicht töten« in der Hand, von Jahwe selbst in einer geheimnisvollen Sprache geschrieben.
Wahrscheinlich war Mose einfach wütend, wütend darüber, dass er sich sogar für das Volk eingesetzt hat und dem Volk sein Einsatz nichts zu bedeuten scheint.
Vielleicht ist diese Wut auch umso größer geworden, da er erfährt, dass Aaron Schuld ist.
Aaron, der an Moses Statt zum Pharao und zum Volk gesprochen hat, dessen Stab als Schlange die Stäbe von Pharaos Zauberern vernichtet hat, der die Zehn Plagen erlebte und verschont blieb, der an Moses Seite durch das Schilfmeer zog; dieser Aaron, der einstige Stellvertreter, gießt den Götzen und lästert Jahwe auf mehreren Ebenen. Auch das wird Mose erzürnt haben.

Das Goldene Kälbchen

»Und machet sie löcken wie ein Kalb den Libanon und Sirjon wie einen junges Einhorn«
(Psalm 29, 6)
(Lutherbibel, verlegt 1903)

Das Reëm
Die hebräische Mythologie beherbergt jede Menge geheimnisvolle Wesen, von denen Engel (Cherubim und Seraphim) nur die bekanntesten sind.
Neben Drachen, einer eigenen Version des Vogels Roch, Riesen, Kobolden, Satyrn und anderen märchenhaften Wesen beherbergt die hebräische Mythologie ein Tier, welches auf Hebräisch »Reëm« (auch »Re’em«) heißt.
Als Luther bei der Bibelübersetzung darauf stieß und nicht wusste, was es mit dem Reëm auf sich hat, sah er in der Septuaginta, der griechischen Übersetzung des Alten Testaments, nach und fand das Wort »Einhorn«, was er von den Griechen übernahm. Erst seit den 80er Jahren steht in deutschen Bibelübersetzungen nach Luther das Wort »Wildstier« an den Stellen, an denen früher »Einhorn« stand.
Laut hebräischer Mythologie hat das Reëm mit dem europäischen Einhorn aber gar nichts zu tun. Es handelte sich bei den Hebräern seit jeher um ein riesiges Rind, das sie »Reëm« nannten, weshalb die Übersetzung mit »Wildstier« das Tier viel besser beschreibt, als »Einhorn«. Auch mit dem Wesen des europäischen Einhorns hat das Reëm nichts gemein. Es handelt sich bei ihm um ein furchterregendes Ungeheuer, das zertrampelt, zerstampft und mit seinen Hörnern bedroht.

Der Stier
Stiere sind Tiere, die die Menschen schon immer beeindruckt haben. Stiere symbolisierten stets Kraft, Majestät und Potenz.
Die Ägypter verehrten Apis, einen Gott in Gestalt eines Stieres,
zu Jesu Zeiten war der aus Indien stammende Mithras-Kult eine beliebte Glaubensrichtung im Mittelmeerraum, in der ein Stier geopfert werden musste,
der Stier war auch das Symboltier für den babylonischen Gott Marduk und in der griechischen Mythologie müssen Herakles und Jason Stiere bezwingen, was sie zu Helden machte.

Der Goldene Stier
Auch in der Bibel finden Stiere hin und wieder Erwähnung.
Es spielt aber ein Stier eine wichtige Rolle, der nicht einmal erwähnt wird.
In 2. Mose 32 wird erzählt, was passiert, als Mose die Gesetzestafeln entgegen nimmt.
Während sich Mose auf dem Berg Sinai befindet, dort mit Jahwe spricht und von ihm die Zehn Gebote erhält, fällt das Volk Israel von Jahwe ab.
Sie haben Zweifel daran, dass Mose zurückkehrt und sie zweifeln daran, dass Jahwe noch auf ihrer Seite ist, weswegen sie von Aaron, Moses Bruder und Stellvertreter verlangen, ihnen einen Gott zu geben, den sie sehen können. Aaron kommt dem nach. Er nimmt dem Volk das Gold, das sie dabei haben, ab und gießt daraus ein Götzenbild (2. Mose 32, 1-4).
Der Götze, so steht’s in der Bibel, hat die Form eines Kalbs.
Seit ich diese Geschichte kenne, wundere ich mich darüber. Warum ein Kalb? Ich wusste, dass antike Religionen nicht selten Tiere verehrt haben und die Ägypter, aus deren Land die Israeliten kommen, sind ganz vorne mit dabei, wenn es um die Verehrung und Anbetung von Tieren geht: Katzen, Schakale, Falken, Geier, Schlangen, Krokodile. Mit Apis ist sogar ein Stier und mit Hathor eine kuhköpfige Gottheit angebetet worden, aber von einem Jungtier weiß ich nichts.
An dieser Stelle steht aber »gegossenes Kalb« (2. Mose 32, 4). Warum?
Seit rund 30 Jahren schleppe ich diese Frage mit mir herum und erst vor ein paar Wochen, habe ich die Lösung gefunden: Das Goldene Kalb ist mitnichten ein Kalb.
Nein, es handelt sich um einen stattlichen Stier. Vielleicht war Apis damit gemeint, den die Israeliten aus Ägypten kannten, vielleicht Marduk, dessen Symboltier ein Stier war und der in Kanaan angebetet wurde oder vielleicht sollte der Götze sogar ein Reëm darstellen; fest steht, es war kein Kalb gemeint.

Die Erklärung des Kalbs
Dass wir an dieser Stelle »Kalb« lesen, liegt an den Autoren der Bibel.
Den Autoren der Bibel war es immer wichtig, die Überlegenheit Jahwes gegenüber der Götter anderer Völker darzustellen:

Ein Beiname Marduks war beispielsweise »Baal-Sebub«, was »Herr des Himmels« bedeutet. Die Juden machten daraus »Beelezebul« (Matthäus 12, 24), was »Herr der Fliegen« bedeutet;
Sonne und Mond, die von allen anderen Völkern als Götter verehrt wurden, sind für Jahwe, nur kleine Kerzen, die er am Himmel angezündet hat (1. Mose 1, 14-18).
Und den Gott, dessen Werke die Hebräer in Ägypten gesehen haben, der Wasser zu Blut machte, die Sonne verdunkelte und jede ägyptische Erstgeburt tötete, der das Meer teilte und als Säule aus Feuer vor den Israeliten durch die Wüste zog, diesen Gott ersetzen sie am Berg Sinai durch ein lächerliches, kleines Kälbchen, weil sie Mose ein paar Tage nicht gesehen haben.

Wie die restliche Bibel, ist auch diese Geschichte ein Beweis dafür, dass Gott anders, um nicht zu sagen größer ist, als die anderen Götter.

Die Gefahr der FDP

Prolog
Im Zuge des Prager Frühlings war Rudi Dutschke als Redner bei einer Veranstaltung in der damaligen Tschechoslowakei. In seiner Rede hat er geäußert, es sei nötig, dass es innerhalb der Kommunistischen Partei mehrere Flügel gebe. Nur so werde der demokratische Austausch gewährleistet.
Man merkt richtig, wie verzweifelt Dutschke versucht, den parlamentarischen Kommunismus mit der Demokratie vereinbar zu machen.

Die Opposition innerhalb der Regierung
Dutschkes Gedanke war natürlich der, dass ein System, in dem es nur eine Partei gibt, kein demokratisches System sein kann. Nicht umsonst war er Mitbegründer der Außerparlamentarischen Opposition, kurz APO, als es 1966 zur ersten Großen Koalition in Deutschland kam. Die einzige andere Partei im Parlament war die FDP, die damals bei knapp 10% lag. Die APO-Gründer trauten der FDP nicht zu, wirkungsvolle Oppositionsarbeit zu machen und wollten diese von außerhalb des Parlamentes machen.
1969 trat die FDP zwar wieder in eine Regierungskoalition ein, diesmal mit der SPD, aber die drei Jahre Opposition warfen lange Schatten voraus.
Natürlich war die FDP zwischenzeitlich an Regierungen beteiligt, aber dass sie jetzt gerade an einer Regierung beteiligt ist, scheint sie nicht zu merken.
Aus irgendeinem Grund schießt die FDP ununterbrochen gegen die eigenen Koalitionspartner. Ganz offen kritisiert die FDP SPD und Grüne dafür, dass ihre Klimapolitik gescheitert ist. Gescheitert ist die aber nur, wegen der FDP. Der Generalsekretär der FDP, Bijan Djir-Sarai, kritisiert seine Koalitionspartner und macht Werbung für eine Schwarz-Gelbe Koalition.
Was ist das Ziel der FDP?
Wollen die der Union unbedingt beweisen, was für ein beschissener Koalitionspartner sie sind? Dass die Regierung zerbricht, kann nicht im Sinne der FDP sein, weil die momentan nicht mal ins Parlament kämen, würde neu gewählt werden. Die FDP ebnet gerade den Weg für eine Große Koalition oder Schwarz-Grün…

Das Spiel der FDP mit dem Feuer
Eigentlich wäre das alles ja sehr lustig. Die FDP beweist, dass es besser gewesen wäre nicht zu regieren, als falsch zu regieren. Das muss man Lindner lassen und bei der nächsten Wahl werden sie neben der Linken unter »Sonstige« geführt werden.
Aber so einfach können wir es uns gerade leider nicht machen.
Die Wagenknecht-Partei könnte aus dem Stand 10% einfahren, die Werteunion, angeführt von einem lupenreinen Rechtsextremisten, ist der FDP für ein paar Stimmen sicher sehr dankbar und die AfD-Nazis, die immer noch bei knapp 20% stehen, müssen sich nicht mal die Mühe machen, die Regierung zu verunglimpfen, weil die FDP das schon übernimmt.
Eine Regierung aus demokratischen Parteien, die Zusammenhalt symbolisiert, wäre das Gebot der Stunde.

Epilog
Dutschke versuchte, ein undemokratisches System zu rechtfertigen.
Dass Lindner Dutschke-Fan ist, hätte ich nicht für möglich gehalten, aber er hat ihn nicht verstanden. Nicht innerhalb einer Koalition soll es mehrere Flügel geben, sondern innerhalb einer Partei. Und der plutokratische und nationalliberale Flügel in ihrer Partei, Herr Lindner, sind nicht das, was Dutschke vorschwebte.

Aufgeweckt

»Nationalliberal – ist, wer [sonst nichts] kann.«,
(»Kleiner Wahlkatechismus für politisch Unreife«,
Simplicissimus, 1898)

Die dritte Fraktion
Bundestagswahl 1957: Erstmals seit Ende des Krieges sitzen nur noch drei Fraktionen im Parlament, was fast 30 Jahre so bleiben sollte. Erst als 1983 erstmals Die Grünen den Sprung über die 5%-Hürde schafften, änderte sich die alleinige Vorherrschaft von Union, SPD und FDP.
Die SPD gab es schon zur Zeit der oben zitierten Satirezeitschrift Simplicissimus, ebenso wie die Zentrumspartei, die Partei, aus der die CDU hervorgegangen ist.
Doch die FDP gründete sich erst 1948 in der US-amerikanischen Besatzungszone.
Wofür genau die FDP damals stand, ist nicht ganz klar, dass sie aber unter der Besatzungsmacht des Landes des Kapitalismus gegründet wurde, ist sehr passend.
Fest steht, dass sie seit 1949 einzig und allein aus dem Grund existiert hat, einer der beiden großen Volksparteien die Kanzlerschaft zu sichern. Das ist nur dann nicht geschehen, wenn es eine Große Koalition gab, die beiden großen Volksparteien also miteinander koaliert haben und von 1998 bis 2005, als die SPD mit den Grünen koalierte. Sogar die aktuelle Regierungsbeteiligung der FDP ist ein notwendiges kleineres Übel für alle Beteiligten. Für die SPD stand die Kanzlerschaft auf dem Spiel, die Grünen hätten unter anderen Umständen mit der CDU/CSU regieren müssen und die FDP konnte ihr Gesicht wahren, indem sie keiner Jamaika-Koalition zustimmen musste und Armin Laschet musste sich nicht mit russischen Angriffskriegen und UmweltaktivistInnen rumärgern; die Ampel-Koalition ist also eine Win-win-win-win-situation.
Fest steht außerdem, dass die FDP ganz nach rechts im Parlament gesetzt wurde. SPD und CDU arbeiteten in den späten 40ern noch ihr Verhältnis zum marxistischen und antimarxistischen Sozialismus auf, während die FDP schon damals antisozialistisch strukturiert war.
Daher wurden ihr die rechten Plätze im Parlament zugedacht, was ich aus anderen Gründen auch sehr passend finde.

Vom Nationalismus zum Kapitalismus
Tatsächlich bediente sich die FDP in ihren Anfängen an nationalistischen Motiven. 20 Jahre lang war das Parteilogo ein Adler, auf dessen Brust die Buchstaben F,D und P stehen. Zwar handelt es sich bei der Silhouette des Vogels nicht direkt um einen Reichsadler, aber der Bundesadler ist es eben auch nicht. Für mich sieht er wie eine Mischung aus beiden aus.
Zwischendurch benutzte die FDP als Logo sogar die Wirmer-Flagge, wenn auch eine leicht abgewandelte Version von der, die die CDU 1948 als neue Staatsflagge vorschlug, aber wieder mit FDP-Adler.
Keine Frage, die Wirmer-Flagge ist ist sicher als antifaschistisches Symbol zu deuten und gemeint gewesen, aber keine andere Partei in der Bundesrepublik bezog sich so auffällig auf die deutschen Nationalfarben. Dass die Wirmer-Flagge heute eher mit Rechtsextremismus in Verbindung gebracht wird, dafür kann die FDP der 50er Jahre zweifellos nichts. Ihre Wahlwerbung der damaligen Zeit strotzte allerdings trotzdem vor martialischer Männlichkeit, Nationalismus und polemischem Antikommunismus.
Anfang der 70er Jahre begann die F.D.P. (die sich damals mit Abkürzungspunkten nach den Buchstaben schrieb) immer marktradikaler zu werden. Die F.D.P. wurde allmählich zu einer Partei der Besserverdiener und das ist sie bis heute geblieben. 2003 – kein Witz – trat der letzte Dracula (ein Deutscher, der von der letzten Blutsverwandten des historischen Draculas adoptiert wurde) in die FDP ein, die sich in den 30 Jahren vorher von der Partei der Besserverdiener zur Blutsaugerpartei par excellence entwickelt hatte.

Das kurzzeitige Ende der FDP
2013 musste die FDP erstmals den Bundestag verlassen. Aber schon 2017 wurde sie wieder reingewählt. Zwar stand im Wahlprogramm derselbe neoliberale Schwachsinn, der 2013 zur Abwahl der Partei hätte führen können. Die Wiederwahl bewies aber, dass die Deutschen keine Inhalte, sondern Gesichter wählen und Christian Lindner in Schwarz-Weiß einfach besser aussieht, als Philipp Rösler in Farbe.

Der erste Schritt zurück
Und dann kam das Jahr 2020 und ein anderes Gesicht war plötzlich das der FDP, nämlich das von Thomas Kemmerich. In Thüringen wurde der Ministerpräsident gewählt. Der bisherige Ministerpräsident, Bodo Ramelow, Mitglied der Linkspartei, hatte aber keine Mehrheit mehr. Dennoch sah es für Ramelow ganz gut aus, denn der einzige Gegenkandidat war der der AfD. Es stand nicht fest, dass CDU und FDP für Ramelow stimmen würden, aber fest stand, dass sie nicht für den AfD-Kandidaten stimmen würden.
Da kündigte Thomas Kemmerich, der damalige Vorsitzende der FDP in Thüringen, die mit gerade einmal 5% gerade so ins Parlament gekommen war, an, er werde als Ministerpräsident kandidieren, würden im entscheidenden Wahlgang nur noch Die Linke und die AfD einen Kandidaten haben. Kemmerich meinte, es müsse auch einen »bürgerlicher« Kandidaten geben. Damit meinte er erschreckender Weise sich selbst. Jemand, der Bodo Ramelow abspricht, ein »bürgerlicher« Kandidat zu sein, hält sich selbst für einen…
Die AfD jedenfalls ließ kurzerhand die Unterstützung für ihren Kandidaten fallen, und stimmte für Kemmerich, der mit FDP, CDU und eben der AfD mehr Stimmen hatte, als Bodo Ramelow, der von seiner Partei, der SPD und den Grünen unterstützt wurde. So wurde Kemmerich Ministerpräsident von Thüringen und zwar von Höckes Gnaden. Zwar nur für etwa 25 Stunden, aber diese Wahl bewies unbestreitbar, dass die »Parteien der Mitte«, wie sich FDP und CDU gerne nennen, in erster Linie die Abgrenzung nach links suchen und rechts eine offene Flanke aufweisen.
Kemmerichs Fehler war nicht, dass er gewählt wurde. Sein Fehler war es, dass er seinen Plan vorher in die Welt hinausposaunt hat und zwar nachdem die AfD schon kund getan hatte, sie werde eine Minderheitsregierung bestehend aus CDU und FDP unterstützen. Ein weiterer Fehler war, dass er die Wahl angenommen hat und sich dann auch noch aus Versehen vereidigen ließ.

Gelb
Dann wurde die CDU bundesweit abgewählt und einer Schwarz-Roten Regierung unter Angela Merkel folgte eine sogenannte Ampel-Koalition unter Olaf Scholz. SPD und Grüne, beide ursprünglich linke Parteien (2021 aber nicht mehr), koalierten mit der FDP.
Kurz nach der Wahl ließ die FDP im Bundestag darüber abstimmen, ob sie sich zwischen die Grünen und die CDU setzen dürfe. Als »Partei der Mitte« wolle sie auch in der Mitte des Parlaments sitzen, weil die Atmosphäre neben der AfD nicht angenehm sei; wahrscheinlich riecht es dort nach Faschismus. SPD und Grüne stimmten aus völlig unbegreiflichen Gründen auch dafür, sodass es eine Mehrheit dafür gab, dass die FDP sich woanders platzieren darf.
Aber die Wahl 2021 war der letzte Erfolg der Liberalen. Danach hat die FDP Landtagswahl für Landtagswahl einstecken müssen. Die meisten Landesparlamente musste die FDP sogar verlassen. Christian Lindner erfand, dass die schlechte Performance seiner Partei bei der Wahl damit zusammenhänge, dass die FDP in der Bevölkerung als linke Partei wahrgenommen werde und daher abnehme.
Zugegeben, SPD, Grüne und Linke nehmen auch ab, aber aus anderen Gründen. Die FDP ist einfach nur überflüssig, Herr Lindner und das fällt der Bevölkerung gerade auf und außerdem war es doch Ihre Partei, die sich unbedingt nach links setzen wollte oder?

Die FDP und die »Letzte Generation«
Die FDP gehört nicht nur aus historischer Nostalgie nach rechts. Sie lässt sich von der AfD zur Macht verhelfen und hat dieselben Feinde.
Am S- und U-Bahnhof Pankow hängt aktuell ein AfD-Wahlplakat, dass fordert »Klimakleber in den Knast« zu stecken und diese Forderung scheint von der der FDP gar nicht so weit weg zu sein.
Marco Buschmann zum Beispiel, Justizminister und Mitglied der FDP, hat im Mai des letzten Jahres die Klima-AktivistInnen der »Letzten Generation« mit der SA verglichen. Die letzten, die das Maul aufmachen, weil der Planet gerade vor die Hunde geht, zu vergleichen mit Schlägern, die marodierend durch deutsche Straßen zogen, Synagogen anzündeten und Menschen, die ihrer Meinung nach anders waren, ermordeten, ist auf so vielen Ebenen widerlich und geschmacklos, dass ich nicht verstehe, wie ein Marco Buschmann nicht mit Schimpf und Schande vom Hof gejagt wurde, aber er ist ja bei weitem nicht der einzige. Während die »Letzte Generation« auch von anderen Parteien mit den Taliban oder der RAF verglichen wurde, hat FDP-Chef Lindner sie im Oktober 2023 mit der AfD verglichen und damit ganz nebenbei den Klimawandel und die Notwendigkeit zu handeln, geleugnet und die AfD verharmlost. Außerdem ist es eine der schlimmsten Beleidigungen überhaupt, jemanden mit Nazis zu vergleichen.

Der Weckruf
Doch das beste kam am Ende des letzten Jahres. Angetoßen von einem offenen Brief, der im Oktober erschien, begann eine Rebellion innerhalb der FDP, eine Rebellion gegen die aktuelle Regierungskoalition. Viele FDP-Mitglieder waren offenbar der Meinung, die FDP würde sich in der Regierung am meisten verbiegen und möge die Zusammenarbeit mit SPD und Grünen doch bitte schnellstmöglich auflösen. Zwar ist die FDP wirklich die einzige Partei, die sich in dieser Regierung nicht verbiegt, aber aus Sicht der Unterzeichner scheint es auch weniger um die aktuelle Regierung zu gehen, sondern viel mehr um den Weg der FDP im Allgemeinen.
Als Bernd Lucke, Gründer und ehemaliger Vorsitzender der AfD, die Bedrohung fühlte, Nazis könnten ihm die Partei wegnehmen, gründete er einen Verein innerhalb der AfD, der davor warnen sollte, dass die Partei gerade von Rechten unterwandert werde und nannte ihn »Weckruf 2015«. »Der Weckruf« hieß witziger Weise auch die allererste NSDAP-Lokalzeitung. Ein unpassenderen Namen hätte Lucke seinem Verein also kaum geben können.
Der offene Brief der FDP war seinerseits auch überschrieben mit »Weckruf Freiheit«. Anders als bei Lucke, passt dieser Name aber sehr gut zu den Unterzeichnern.
Zu den Rebellen gehörte nicht nur ein gewisser Thomas Kemmerich, sondern vor allem ein Flügel innerhalb der FDP, der einen national-liberalen Kurs einschlagen will, ganz ähnlich wie das, was die AfD anfangs auch wollte.
Am 01.01.2024 wurde in der FDP sogar abgestimmt, ob sie die Regierung platzen lässt oder nicht. Zwar wurde dagegen gestimmt, aber nur sehr knapp. Das ist der FDP-Führung aber ziemlich egal, denn in den Parteistatuten ist festgelegt, dass Parteiabstimmungen gar nichts bedeuten müssen – sehr demokratisch – und außerdem hat auch nur ein sehr knappes Drittel überhaupt daran teilgenommen – sehr demokratisch…

Ich hab die FDP schon immer für eine Partei gehalten, die eine Gefahr für die Demokratie darstellt. Der »Weckruf Freiheit« beweist das außerordentlich gut. Aber mein Rufen scheint auch geweckt zu haben. Die FDP steht aktuell stabil bei unter 5% in Umfragen. Mit etwas Glück sind wir sie bald wieder los. Dann gilt es nur noch die Feinde der Demokratie zu bekämpfen, die ihre Geisteshaltung nicht hinter Marktradikalität verstecken.

Wunschdenken

Ich lag falsch. Ja, auch als Prophetie Jeremias muss man in der Lage sein, Selbstkritik zu üben.
Ich habe schon zu hoffen gewagt, dass wir Sahra Wagenknecht endgültig los sind. Vor noch nicht einmal einem Monat schossen die Umfragewerte für Die Linke in Thüringen in die Höhe, auf bestem Wege, die AfD einzuholen und ich hab das auf den Austritt Wagenknechts geschoben. Außerdem gab es nach Wagenknechts Austritt haufenweise Parteieintritte in Die Linke und das neue Logo schien tatsächlich einen Neuanfang einzuläuten. Aber es sollte nicht sein.
Denn jetzt ist das BSW eine Partei, die in Brandenburg und Thüringen auf Platz Vier liegt, Tendenz steigend und auf bestem Wege, Die Linke hinter sich zu lassen. Die Linke, die nach der Kemmerich-Affäre damals bei 40% lag, aber das war mal. In Thüringen steht sie heute bei lausigen 15%, in Sachsen und Brandenburg bei knapp 7.

Ich habe es nicht kommen sehen, dass das BSW 5% übersteigen könnte, aber gleichzeitig gehofft, dass es der AfD Wähler abspenstig macht. Jetzt passiert weder das eine noch das andere. Die AfD wächst weiter, Die Linke leidet und das BSW wird sehr wahrscheinlich im zweistelligen Bereich landen.
Eine kleine Genugtuung ist, dass nach aktuellen Wahlumfragen Bündnis 90/Die Grünen in allen drei Parlamenten sitzen wird. Ich bin kein Grünen-Wähler, aber womit man Sahra Wagenknecht und die AfD ärgern kann, das freut mich.
Schon klar, Wahlumfragen sind keine Wahlen und bis September kann noch alles mögliche passieren. Die aktuellen Entwicklungen sehen aber alle ganz furchtbar aus.

Das BSW bei 10% ist ja schon schlimm genug, aber die wahren Feinde der Demokratie werden die drei Wahlen im Osten gewinnen. Wagenknecht schadet nur der Linken. Die AfD gewinnt unbeeindruckt von der neuen Partei weiter an Zuspruch, dabei gibt sie sich solche Mühe, endlich an Beliebtheit zu verlieren.

Dass der AfD ihr Treffen mit anderen Neonazis, auf dem sie unter anderem darüber geplaudert haben, wo und wie Konzentrationslager errichtet werden können, nicht schadet, ist zwar irgendwie erschreckend, andererseits hab ich aber auch nichts anderes erwartet. Deren Wähler wollen extremistische Vorhaben hören. KeinE HumanistIn, der von »[Lagern in Afrika]« hört, die die Nationalsozialisten auch erbauen wollten, kann die AfD noch unterstützen. Aber deren WählerInnen sind keine HumanistInnen. MenschenhasserInnen, FaschistInnen und Neonazis wählen die Partei. Wenn jetzt kein Video auftaucht, auf dem zu sehen ist wie Weidel, Chrupalla und Höcke Welpen Deutscher Schäferhunde erschießen, wird nichts die AfD aufhalten können. Deren WählerInnen ist es völlig egal, wenn die AfD von Deportationen, KZs und Genozid spricht. Lüths Aussage vor versteckter Kamera hat gezeigt, dass die AfD machen kann, was sie will, die werden trotzdem unterstützt.

Kein Wunder also, dass das BSW der AfD keine WählerInnen abnehmen kann. Was mich aber sehr wohl wundert ist, wie es der NPD damals gelang, unter 5% zu bleiben, wenn so viele Menschen in der AfD ihre neue Heimat gefunden haben.

Aladdin und der wunderlose Film

»Iftah Ya Simsim« ist Arabisch (wenn auch mit lateinisch-griechischen Buchstaben wiedergegeben) und heißt auf deutsch »Sesam, öffne dich«. »Sesam, öffne dich« ist ein Zauberspruch aus dem Märchen »Alibaba und die 40 Räuber«, einem Märchen aus »1001 Nacht«.
»1001 Nacht« wiederum ist eine Märchensammlung, die persischen Ursprungs ist, ins Arabische übersetzt und durch arabische Märchen ergänzt wurde. Im 18. Jahrhundert kamen die Geschichten nach Europa und faszinierten seitdem auch die europäische Leserschaft.
Seit über 200 Jahren wissen auch die europäischen Leser etwas über Alibaba, Sindbad und natürlich Aladin.
»Die Erzählung von Aladin und der Wunderlampe« ist bestimmt das bekannteste Märchen aus »1001 Nacht«, nicht zuletzt, weil 1992 der Disney-Film »Aladdin« erschien, der die Erzählung aus der arabischen Märchensammlung in teilweise stark veränderter Form zu Grunde liegt. Ich selbst bin auch durch den Disney-Film mit dem Aladin-Stoff vertraut gemacht worden und ich finde das Märchen und auch den Film sehr gut. Die Fortsetzungen des Disney-Films hab ich mir auch angesehen, kopfschüttelnd, im Unverständnis darüber, wie schlecht sie sind, aber als 2019 das Realfilm-Remake des Films erschien, ist mir erst aufgefallen, dass »Dschafars Rückkehr« und »Aladdin und der König der Diebe« nicht das schlimmste waren, was man diesem Film antun konnte.
Die Wut darüber, wie sehr der grandiose Animationsfilm 20 Jahre nach Erscheinen von seinen eigenen Schöpfern zerstört wurde, hat mich dazu veranlasst, diesen Beitrag zu schreiben.
Was der Remake von »Aladdin« alles falsch gemacht hat, darum soll es in diesem Beitrag gehen.
Ich hoffe, es ist nicht nötig, eine Spoilerwarnung auszusprechen, aber ich mache es vorsichtshalber trotzdem. Sie gilt für »Aladdin« (von 1992), »Dschafars Rückkehr«, »Aladdin und der König der Diebe« und »Aladdin« (von 2019). Es geht hier nur um meine Meinung. Wenn dir der Remake gefällt, dann ist das okay. Es ist möglich, dass die Neuverfilmung auch was richtig gemacht hat. Darum geht es in diesem Beitrag aber nicht. Hat sie dir gefallen? Dann schreib mir in die Kommentare, was gut war. Ansonsten bitte ich zu entschuldigen, dass dieser Beitrag ein bisschen länger ist. Aber dann habt ihr in der Weihnachtszeit ein bisschen Lesestoff.

Die erste Problematik, die auffällt und die sich durch den ganzen Film zieht, ist dass kreativer Weise ganze Textpassagen Wort für Wort aus dem Zeichentrickfilm übernommen worden sind, die dann zu allem Überfluss so lieblos und gelangweilt runtergerasselt werden, dass man sich fragt, ob die Übersetzer, den Film von 1992 gar nicht gesehen haben oder ob sie ihn nicht verstanden haben. Dann wagt euch halt nicht an einen so schweren Stoff… Das ist zwar in erster Linie ein Synchro-Problem, das gebe ich zu und ich weiß, wie schwer es ist, Lippensynchron zu übersetzen, aber wir reden hier nicht von der Film-AG der achten Klassenstufe der Asylum-Gesamtschule in Bielefeld, sondern von der Walt Disney Company.

Kommen wir zum Film und gehen ihn problematische Szene für problematische Szene durch:
Der Film läuft erst 10 Minuten und schon beginnt er, mich aufzuregen. Nachdem Aladdin mit Jasmin durch die Straßen Agrabahs vor den Wachen geflohen ist und sich an einer Mauer hochzieht, hört man eine Glocke im Hintergrund schlagen und sie klingt einfach nach einer Kirchenglocke. Es ist wahrscheinlich keine, aber da sie auch nicht essentiell wichtig für das Drehbuch ist, hätte man sie auch weglassen können. In dieser Szene klingt sie wie eine Kirchenglocke und vor dem Hintergrund, dass uns der Film in jeder Szene ins Gesicht drückt, dass wir uns in einem orientalischen Land befinden, in dem wahrscheinlich ein Großteil der Bevölkerung muslimischen Glaubens ist – was später sogar in einem Nebensatz erwähnt wird – stört dieser Glockenklang einfach sehr. Wahrscheinlich ist es eine Alarmglocke oder etwas in der Art, aber der Klang zerstört die mühsam aufgebaute orientalische Szenerie.
Außerdem ist mir diese ganze Marktszene viel zu bunt. Es wirkt, als würden Aladdin und Jasmin durch Disneyland laufen. Die leere Geschichte wird versucht, durch Special-Effects und leuchtende Farben aufzuwiegen, aber das ist zu wenig.

Ebenfalls relativ weit am Anfang wird uns Dschafar vorgestellt. Und wieder dauert es nicht lange, bis ich was zu meckern habe. Dschafar wird von einem ziemlich attraktiven Mann gespielt. Der Zeichentrick-Dschafar ist hässlich, unheimlich und alt, ein Unsympath durch und durch. Hier starrt uns ein hübscher, junger Mann finster vom Bildschirm aus an. Darüber könnte ich noch kulant hinwegsehen, ein Bösewicht muss nicht unbedingt hässlich sein, gebe ich zu, obwohl das in Disneyfilmen meistens so ist. Wirklich problematisch ist aber Dschafars Intention. Es gibt einen Grund dafür, dass er böse ist. Es gibt einen Grund dafür, sich am Sultan zu rächen. Was soll das? Sollen wir Verständnis für ihn haben oder gar Mitleid? Sollen wir uns auf seine Seite stellen? Vor diesem Hintergrund ist sein hübsches Gesicht um so problematischer. Wir haben es hier mit einem Kinderfilm zu tun. Ich finde in einem Kinderfilm dürfen Bösewichte einfach nur böse sein. Wir wollen keine psychologische Erörterung darüber, inwiefern die Bösen wirklich böse sind. Denn ansonsten lässt sich im weiteren Verlauf des Films fragen, inwiefern Aladdin ein Held ist.

Ein wenig später ist Aladdin in der Höhle und soll die Lampe herausholen. Und er findet sofort heraus, wo sich die Lampe befindet. Im Zeichentrickfilm fragt er den Teppich, den er auch in der Höhle findet (und den er merkwürdiger Weise berühren darf) wo er die Lampe finden kann. Dass er sie im Remake selbst findet, nimmt der »Wunderhöhle« irgendwie ihre Wunder, wie ich finde. Der Aufbau der Höhle ist doch faszinierend. Am Eingang befindet sich der überwältigende Schatz, der das Verderben desjenigen bedeutet, der ihn berührt. Am unscheinbaren Ende der Höhle, da befindet sich der eigentliche Schatz. Dass sich die Lampe hier beim restlichen Schatz befindet, macht sie kleiner und weniger spektakulär. Dann berührt der Affe einen Rubin oder etwas ähnliches. Im Zeichentrickfilm erbebt die Höhle vor Wut, der Eingang in Form des Mauls einer Raubkatze brüllt und schnappt um sich und im Inneren erklingt die vor Wut donnernde Stimme der Höhle.
Im Remake klingt die Höhle eher gelangweilt – wahrscheinlich wieder so ein Synchro-Fail – und alles wird zu Lava. Die Dramatik fehlt völlig.

Dann erscheint der Geist. Ich weiß nicht, wie es in der arabischen Version des Märchens ist, aber in der deutschen Übersetzung verlässt ein »Geist« die Lampe.
Der Disney-Film von 1992 nennt das Wesen »Dschinni«, was sogleich der Name, als auch die Spezies zu sein scheint. Der Name »Dschinni« kommt natürlich von den muslimischen Fabelwesen, die aus Feuer bestehen, namens »Dschinn«.
Die Rolle des Dschinni ist in dem Animationsfilm von 1992 für Robin Williams geschrieben worden, der mittlerweile leider nicht mehr am Leben ist. Er hat sie nicht nur gesprochen. Er war die Rolle und sie war für ihn. Dschinni sieht Williams sogar ähnlich. Aber vor allem war Robin Williams ein begnadeter Schauspieler, der Rollen in Psychothrillern und Kinderfilmen übernommen hat und immer eine phantastische Performance ablieferte.
Und diese Rolle, eine Rolle, die von Anfang an für Robin Williams gedacht war, besetzen sie mit Will Smith.
Will Smith ist kein Schauspieler, jedenfalls kein besonders guter. Will Smith ist Rapper. Versteht mich nicht falsch. Ich finde »Der Prinz von Bel Air« wahnsinnig witzig und ich liebe »Independence Day«, was aber nicht ausschließlich an Smith liegt, sondern daran, dass der Film einfach gut geschrieben ist und jede Menge andere hochkarätige Schauspieler mitspielen. Zwar hat sich Smith einen Platz unter den bekanntesten Schauspielern der Welt erarbeitet, was man ihm hoch anrechnen muss, keine Frage. Aber er ist kein guter Schauspieler. Der Mensch Will Smith spielt fast ausschließlich die Figur Will Smith aus »Der Prinz von Bel Air«, sogar in »Independence Day«. Und jetzt versucht ein Will Smith, der fast nur Will Smith spielen kann, einen Robin Williams zu spielen und es gelingt ihm – wie zu erwarten war – nicht. Er macht es für seine Verhältnisse nicht schlecht, aber er wirkt wie eine billige Kopie und zwar weil er eine ist. Aber wir kommen nochmal auf ihn zu sprechen. Knöpfen wir uns an dieser Stelle noch einmal das Drehbuch vor:

Dschinni glaubt Aladdin nicht, dass er sein Meister ist. Jetzt hört sich aber alles auf, Disney. Schlimm genug, dass ihr den Film und seine Figuren kaputt macht. Der gehört euch, damit könnt ihr treiben, was immer ihr wollt. Aber jetzt vergreift ihr euch auch noch an der Mythologie und dem Märchen. Da hört der Spaß auf.
Es ist verdammt nochmal der Fluch der Lampe, dass der Geist oder in diesem Fall der Dschinni, demjenigen dienen muss, der die Lampe in Händen hält. In einer anderen Aladin-Verfilmung, die ich mal gesehen habe, sagt der Geist zu Aladin, dass er ihn gern hat, aber dazu verflucht ist, ihn »ohne mit der Wimper zu zucken« zu verraten. Dieser Dschinni im »Aladdin«-Remake hat es nicht verdient, am Ende freigewünscht zu werden – wozu wir auch noch kommen – denn er kommt seiner Aufgabe nicht nach. Sein Job ist es, bedingungslos demjenigen zu dienen, der die Lampe in Händen hält. Wie kommt er dazu, anzuzweifeln, dass sein Meister sein Meister ist?

Dschinni befreit Aladdin aus der Höhle. Hier zeigt sich die Problematik an diesen drei Wünschen. Im Original kann Aladin sich soviel wünschen wie er will. Ich verstehe aber die Idee der drei Wünsche, das macht es spannender und bringt den Helden in die missliche Lage, zwischen seinem dritten Wunsch und Dschinnis Wunsch, befreit zu werden, entscheiden zu müssen. Was ich aber ganz und gar nicht verstehe, ist, wie es Aladdin im Remake aus der Höhle schafft und immer noch drei Wünsche hat.
Im Animationsfilm von 1992, behauptet Aladdin, Dschinni nicht zu glauben, ihn aus der Höhle bringen zu können. Dschinni fühlt sich herausgefordert und zaubert Aladdin an die Oberfläche. Als Aladdin ihn dann auf seine drei Wünsche anspricht, macht Dschinni ihn darauf aufmerksam, dass er den ersten gerade verpulvert hat. Aladdin belehrt ihn eines Besseren und sagt, er habe sich niemals gewünscht, die Höhle zu verlassen, das sei Dschinnis Wunsch gewesen.
Im Remake wird diese geniale Idee verworfen und durch richtig dummen Quatsch ersetzt. Aladdin sagt wortwörtlich: »Ich wünsche mir von dir […]« und behauptet, nachdem er an der Oberfläche ist, er habe sich das nicht gewünscht. Hä?!? Natürlich hast du dir das gewünscht, du Vogel!
»Ich wünsche mir« – deutlicher kann man einen Wunsch nicht äußern.
»von dir « – ja von wem denn sonst? Dschinni hat ihm gerade vier Minuten lang vorgesungen, dass er sich von ihm alles wünschen kann.
Wenn ihr schon das Drehbuch von 1992 teilweise wortwörtlich übernehmt, warum übernehmt ihr dann nicht die guten Ideen? Den Dschinni zu provozieren, ist genial, während der Satz »Ich wünsche mir von dir[…]« überhaupt nicht genial ist, sondern eindeutig ein Wunsch geäußert wird, der als solcher zählen sollte. Ein erneuter Synchronisationsfehler ist es übrigens auch nicht. Im Englischen Original sagt er den gleichen Mist.

Schließlich wird Aladdin in einen Prinzen verzaubert und hält mit großem Brimborium Einzug in Agrabah. Er kommt beim Sultan ganz gut an sowie bei der Kammerzofe Jasmins. Aber Jasmin selbst ist nicht so begeistert. Genauso wenig wie Dschafar, wenn auch aus anderen Gründen.
Dschafar kann Prinz Ali, wie sich Aladdin jetzt nennt, nicht leiden; das ist im Zeichentrickfilm ganz genauso. In diesem allerdings droht Ali, Dschafar die Prinzessin wegzunehmen und damit die einzige Chance, den Thron des Sultans zu besteigen. Deswegen will Dschafar Ali umbringen. Im Remake weiß Dschafar, wer Prinz Ali ist und dass er nur mit der Lampe zu dem geworden ist, der er jetzt vorgibt, zu sein und deshalb will er ihn umbringen.
Wenn die Konsequenz auch dieselbe ist, ist es hier im Zeichentrickfilm besser gelöst: Dschafar ist gerade dabei, den Sultan zu verzaubern, kurz davor, dessen schöne Tochter zu heiraten und damit selbst Sultan zu werden und dann stört dieser Ali.
Im Remake weiß Dschafar fast von Anfang an, wer sich hinter Prinz Ali verbirgt.

Jasmin kommt ganz gut weg. Sie ist clever, sie ist stark, sie möchte gerne Königin werden und braucht dazu keinen doofen Prinzen und wie im Animationsfilm, will sie nicht ein »Preis [sein], den man einfach gewinnen kann« und um das bloß klarzustellen, kriegt sie jetzt, im Remake, einen Song.
Der Song handelt davon, dass sie ihr Schweigen jetzt brechen möchte. Ihr ganzes Leben habe sie den Mund zu halten gehabt, aber jetzt möchte sie endlich reden. Der Song ist gut, wie alle Songs in diesem Film, aber er gehört nicht in diesen Film. Den ganzen Film über ging es nicht einmal darum, dass sie den Mund zu halten und sich anzupassen hat, ganz abgesehen, dass sie das auch nicht gemacht hat.
Ich bin sicher der letzte, der kritisiert, dass Disney hier versucht, aus Jasmin eine feministische Kämpferin zu machen, aber dann macht halt einen Film darüber und kopiert nicht die chauvinistische Scheiße, die schon in den 90ern überholt war und addiert diese kurze feministische Sequenz.
»Aladdin« aus der Sicht von Jasmin, das hätte ein super Film gewesen sein können: eine Prinzessin, die gerne Sultan werden würde, aber alles, was ihr blüht, ist bestenfalls die Frau eines Sultans zu sein. Trotzdem – oder gerade deswegen – schießt sie alle Prinzen in den Wind, die um sie werben, meinetwegen auch Aladdin und am Ende setzt sie sich durch und wird Sultan.
Habt ihr aber nicht gemacht, Disney, dafür habt ihr dieses Lied, mit zweifellos einer guten Aussage, in ein Drehbuch gequetscht, in dem es nichts verloren hat, weil es die ganzen eineinhalb Stunden vorher nicht darum ging. Warum brauchen wir jetzt, kurz vorm Ende diesen zwei-Minuten-Song?

Direkt am Ende wird Dschinni frei gewünscht. Er wünscht sich seinen eigenen Wunsch nicht genug. Einmal kurz erwähnt er, dass er gerne frei sein würde, dann wird das zwei Stunden lang nicht thematisiert und plötzlich wird er am Ende von Aladdin freigewünscht. Zack! Das kommt so überraschend, dass es mich total verwirrt hat. Der Grund ist, dass der ganze Film vollgestopft ist mit Side-Stories und Special-Effects, die nichts mit der Geschichte zu tun haben und einen den Wunsch des Dschinnis vergessen lassen. Natürlich ist es fair und gutherzig von Aladdin, dem Dschinni die Freiheit zu verschaffen, aber hätte man Dschinnis Wunsch nicht wenigstens zwischendurch nochmal erwähnen können oder einfach nicht mit haufenweise Nebenschauplätzen wie riesigen Monsterpapageien und kämpferischen Jasmins zum Beispiel, die von Dschinnis Wunsch ablenken?

Abschließend komm ich noch einmal auf Jasmin zu sprechen. Ihr Vater ernennt sie am Ende nämlich doch zum Sultan. Hätte er das nicht gleich am Anfang machen können als treusorgender Vater, anstatt seine Tochter die ganze Zeit mit allen möglichen Prinzen zu nerven? Dann hätten wir uns nämlich den ganzen furchtbaren Remake sparen können und würden uns nur über »Dschafars Rückkehr« und »Aladdin und der König der Diebe« aufregen. die sind nämlich bei weitem schon schlecht genug.

In diesem Sinne Frohe Weihnachten und einen guten Rosch von 2024!